91 Jahre alt und kein bisschen leise: Holocaust-Zeitzeuge auf Lesetour

Der Holocaust-Zeitzeuge Ivar Buterfas-Frankenthal, der am 16. Januar seinen 91. Geburtstag feiern konnte, ist seit mehr als dreißig Jahren unterwegs, um an Schulen und Universitäten auf die Gefahren des Antisemitismus und Rechtsextremismus hinzuweisen. Als einer der letzten verbliebenen Zeitzeugen begeistern ihn die zunehmenden Aktivitäten gegen die AfD, wie sie aus der Mitte der Gesellschaft kommen und vielerorts in Form von Demonstrationen stattfinden. Manchmal kommen so viele Menschen, um gegen den Hass und die Hetze zu demonstrieren, wie sie aus AfD-Kreisen nicht erst seit der unsäglichen Konferenz von Potsdam zutage treten, dass die Demonstrationen abgebrochen werden müssen.
Er findet das ermutigend und wird nicht müde, bei seinen Vortragsveranstaltungen wie zuletzt in Brunsbüttel, Detmold und Lemgo seine jugendlichen Zuhörer dazu aufzurufen, sich dafür einzusetzen, dass sich seine furchtbaren Erlebnisse aus der Nazizeit und frühen Bundesrepublik in Deutschland niemals wiederholen.

Von der Schule verbannt

Der Holocaust-Zeitzeuge Ivar Buterfas-Frankenthal beim Siegnieren seiner Bücher im Elbeforum Brünsbüttel. (Foto: Demokratie leben)
Der Holocaust-Zeitzeuge Ivar Buterfas-Frankenthal beim Siegnieren seiner Bücher im Elbeforum Brünsbüttel. (Foto: Demokratie leben)

Der sechsjährige Ivar Buterfas, Kind eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter, musste erleben, vom Rektor seiner Hamburger Grundschule brutal und unter Beschimpfung vom Schulhof gejagt zu werden – weil er Halbjude war. Er wusste gar nicht wie ihm geschah, wurde von anderen Kindern gejagt und beinahe angezündet. Knapp entkam er und hat seitdem nie eine Schule besuchen können.

Trotz seiner furchtbaren Erfahrungen hat er, der er noch lange Zeit in der Bundesrepublik staatenlos war, nie daran gedacht, nach dem Krieg Deutschland zu verlassen. Er hoffte auf ein anderes Deutschland und baute sich und seiner Familie ein neues Leben auf. Selbst seine Kinder kamen noch staatenlos zur Welt und bekamen erst spät die deutsche Staatsbürgerschaft, die Ivar Buterfas als Kind von den Nazis entzogen worden war.

Immer noch auf deutschlandweit an Schulen unterwegs

Im vollbesetzten Elbeforum Brunsbüttel lauschten 700 junge Schüler und Schülerinnen dem Zeitzeugen Ivar Buterfas-Frankenthal.
Im vollbesetzten Elbeforum Brunsbüttel lauschten 700 junge Schüler und Schülerinnen dem Zeitzeugen Ivar Buterfas-Frankenthal.

Wenn er am kommenden Donnerstag in Bonn an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule und tags drauf an der Gesamtschule Troisdorf auf rund 1.200 Schüler, Lehrer und andere Gäste trifft, so werden diese Besucher wieder Gänsehautmomente erleben. Wenn Ivar Buterfas-Frankenthal, der immer in Begleitung mit seiner Gattin Dagmar auftritt, mit der er seit 68 Jahren verheiratet ist, wird er eindringlich an seine Gäste appellieren. Er wird sie bitten, ihm zu versprechen, sich dafür einzusetzen, dass Rechtsextremismus, Hass und Hetze wie sie von der AfD kommen, keine Zukunft in Deutschland haben. Noch bei jedem Vortrag kam von den Schülern und Schülerinnen ein lautes, ein sehr festes „Ja, wir versprechen es!“.

Altersbedingt muss der alte Herr alles etwas ruhiger angehen und er kann nicht mehr soviele Einladungen annehmen, wie er es gern täte. Nach einem langen und arbeitsreichen Leben möchte er mit seiner Gattin den wohlverdienten Lebensabend genießen und träumt davon, mit seinem Oldtimer einige Orte in Deutschland aufzusuchen, die er schon immer besuchen wollte. Und sicher ergibt sich dabei noch die eine oder andere Möglichkeit, an Schulen oder bei öffentlichen Veranstaltungen, bei denen er sein Buch „Von ganz, ganz unten“ vorstellt, den Völkischen entgegenzutreten.

Zusammen mit seinem Verlag, der Bonner Verlagsbuchhandlung „Bundesamt für magische Wesen“, werden regional noch einige Veranstaltungen geplant, darunter sind Städte in Sachsen, Brandenburg und Thüringen.

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